Mittwoch, 23. Juli 2014

Die Sache mit dem Krieg

Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt etwas zu diesem Thema schreiben soll. Bin ich bzw. sind wir in unserer westlichen Wohlstandswelt nicht viel zu wenig informiert, um die Lage des Ganzen erfassen zu können? Keiner von uns weiß, was es für ein Gefühl ist, wenn man täglich in der Angst leben muss, dass eine Bombe einschlägt, man erschossen wird, den Menschen die man liebt etwas passiert. Kann eine Seele – egal welchen Alters – es überhaupt verkraften, minütlich im Ausnahmezustand zu sein?

Warum ich trotzdem darüber schreiben möchte? Aus einem Grund: Wie wir mit dem Thema umgehen.

Meine Generation und auch jene davor ist damit aufgewachsen, dass um sie herum schlimme Dinge passieren und es medial überall präsentiert wird. Das erste Mal, dass mir dies so richtig bewusst wurde, war am 11. September 2001. Ich war elf Jahre alt und kam gerade vom Spielen bei einer Freundin nach Hause. Meine Mutter saß im Wohnzimmer und starrte einfach nur auf den Fernseher. Als ich mich dazusetzte, verstand ich glaube ich zum ersten Mal, dass es wirklich WIRKLICH schreckliche Dinge auf dieser Welt gibt.

Was soll ich sagen? Jetzt bin ich 24 und daran gewöhnt, beim Einschalten der Nachrichten veranschaulicht zu bekommen, wozu die Menschen und die Natur fähig sind. Man hat gelernt das Ganze zu filtern, nicht alles an sich heranzulassen. Ja, im Grunde sind die täglichen Nachrichten einfach eine Routine geworden. Es kam immer mal wieder vor das ein Ereignis so schlimm war, dass es uns nachhaltig beschäftigt hat. Dann las man drei Tage lang auf Facebook Beileidsbekundungen, spendete vielleicht und die Sache war irgendwann vergessen. Hilfsorganisationen können leider ein Lied davon singen, dass akute Katastrophen den Menschen viel Geld wert sind, um Hilfe zu leisten. Was natürlich gut ist, keine Frage. Dass dabei aber Gebiete, in denen quasi immer ein Ausnahmezustand herrscht, irgendwann einfach zur Normalität gehören, ist eine bittere Nebenwirkung. Und warum für etwas „Normales“ spenden?

In letzter Zeit sind auf Facebook, Twitter etc. besonders viele Posts zum Thema Nahostkonflikt zu finden. Syrien ist da fast schon wieder vergessen. Unter einem Post eines Bekannten von mir gab es sogar über 50 (!) Kommentare. Davon waren bestimmt die Hälfte Anfeindungen aller Art. Der andere habe ja keine Ahnung. Israel sei an allem Schuld. Die Hamas seien an allem Schuld. Wie kann man nur so doof sein und den Medien glauben, etc.

Im Grunde war es ein Krieg im Kleinen. Wenn man sich das Ganze genauer ansieht, kann man daraus ganz schön viel ableiten. Wie entsteht ein Krieg? Grob heruntergebrochen doch immer daraus, dass zwei Parteien unterschiedlicher Meinung sind. Mein Gott ist der Beste, dein Land eigentlich meins, deine Politik gefällt mir nicht. In diesen Facebook-Kommentaren (wenigstens soweit ich das herausgelesen habe), war kein einziges Mal davon die Rede, dass einige Punkte des anderen stimmen. Das man sich auf etwas einigen könnte. Nein, schon in diesem kleinen Konsens hat das nicht geklappt. Aber wie können Menschen, die raus auf die Straße gehen und gegen Israel, gegen die Hamas, gegen Juden etc. demonstrieren, wie können diese Menschen, die es SELBST nicht schaffen einen Schritt auf andere zuzugehen fordern, das ANDERE das machen? Wie kann ich einen Post veröffentlichen, der zeigt wie gut meine Meinung ist, und gleichzeitig denken, dass die andere Partei es eben nicht ganz genauso macht? Unser tägliches Leben besteht aus diesen Konflikten. Man muss sich nur mal die Politik angucken, und dabei ist es komplett egal welche Partei sie macht. Ich kenne keine einzige politische Organisation, die eine Idee der anderen Riege sofort gut finden würde. Selbst wenn sie gut ist. Zuerst muss man sich selbst etablieren, dann einen Fachkreis abhalten, nach einer achtstündigen Sitzung eine Pressekonferenz einberufen und dann entweder die Idee der anderen mit hanebüchenen Gründen schlecht machen oder sie leicht abgewandelt als eigene verkaufen.

Es ist wahrscheinlich naiv zu denken, dass sich in dieser Sache etwas ändern wird. Im Kleinen nicht und erst recht nicht im Großen. Kein Mensch wird meinen Blog lesen und danach denken „Hey stimmt, so blöd sind die anderen doch gar nicht, lasst uns einfach das Kriegsbeil begraben“. Aber da draußen sterben Persönlichkeiten. Kinder, Familien. Keine „70 Zivilisten“ sondern vielleicht ein kleines Mädchen, welches sich irrsinnig auf seine neue kleine Schwester gefreut hat. Ein Vater, der endlich in den Ruhestand gehen wollte, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Lebensgeschichten. Ich weiß nicht, ob es da wirklich darum geht, welcher von unseren Facebookposts dazu jetzt mehr Likes hat und wessen Weltanschauung wir besser oder schlechter finden. Es ist gut, dass wir uns damit beschäftigten. Aber wir sollten aufhören, uns deshalb selbst zu bekriegen.

Man denkt vielleicht, man kann hier sowie nichts tun. Aber schon wenn es darum geht, ob deine Stadt Flüchtlinge aufnimmt, ist das Thema plötzlich verdammt nah. Und leider auch sehr viele Menschen dann wieder ganz anderer Meinung. „Was, die? Unsere Sozialleistungen? Geht’s noch? Schmarotzer!“. In Karlsruhe wird das Flüchtlingsheim immer wieder bedroht, einmal sogar mit einer selbstgebastelten Bombe. Ich wette, dass bestimmt eine Person, die über die Flüchtlinge in ihrer Stadt den Kopf schüttelt, irgendwo anders „die armen Kriegsopfer“ bedauert und sagt „man müsse da ja mal was machen“. Wenn ihr mich fragt, ist das richtig schlimme an dieser Sache oft die Doppelmoral. Denn, um es in den Worten von „Wir sind Helden“ zu sagen, auch für uns gilt:

Der Krieg kommt schneller zurück, als du denkst

Du kriegst zurück, was du verdrängst

Der Krieg kommt schneller zurück, als du denkst

Du kriegst zurück, was du verdrängst

Wie weit ist weit genug weg

Wie weit ist weg?

Na warte

Wie weit ist weit genug weg

Zehn Finger breit auf der Karte

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